Madame Camus am Piano
Um 1869 von Edgar Degas gemalt. 1941 dem jüdischen Sammler Alphonse Kann gestohlen.
Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gehörte das Bild Madame Camus am Piano dem jüdischen Sammler Alphonse Kann. Er selbst konnte sich vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten von Paris nach London retten. Seine Sammlung, die weit über tausend Werke umfasste, wurde allerdings vollständig vom «Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg» konfisziert.1 Danach legte dieses Bild einen abenteuerlichen Weg zurück und ging unter anderem durch die Hände von Herman Göring und Hans Wendland, ein wegen seines Handels mit Raubkunst bekannter Kunsthändler. Wendland erhielt von keinem geringeren als Andreas Hofer – dem Direktor und Chefeinkäufer von Görings Kunstsammlung – den Beinamen «König des Kunstmarktes»2. Am Ende dieser unrühmlichen Liste steht seit 1942 der finale Abnehmer: Bührle.
«Emil Bührle kaufte das Bildnis der Madame Camus ein erstes Mal 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, bei der Galerie Fischer in Luzern. Bei Kriegsende musste er zur Kenntnis nehmen, dass es im besetzten Paris seinem jüdischen Besitzer, Alphonse Kann, gestohlen worden war, der es jetzt zurückforderte.»3
So schildert der Audioguide im Kunsthaus, wie ein scheinbar ahnungsloser und gutgläubiger Bührle nach dem Krieg plötzlich allerhand «zur Kenntnis nehmen musste». Denn von Enteignung, Verfolgung, Zwangsverkäufen und Verlusten auf der Flucht, wollte er nichts gewusst haben.
Es ist belegt, dass Hans Wendland und der Luzerner Galerist Theodor Fischer, von dem Bührle dieses und weitere geraubte Werke während des Kriegs kaufte, um die Herkunft des Bildes wusste.4 Doch Bührle der Käufer – das letzte und entscheidende Glied dieser Kette will der einzige sein, der all dies erst im Nachhinein «zur Kenntnis nehmen musste». Vor Gericht beteuerte Bührle sein Unwissen.
«Ich habe bei meiner ersten Begegnung mit Fischer dennoch die Frage gestellt, wo er eigentlich die Bilder herbekommen habe. Entsprechend den erwähnten Gepflogenheiten verhielt sich Fischer äusserst zurückhaltend. Er machte meines Erinnerns eine Andeutung, die auf das unbesetzte Frankreich hinwies.»5