Junge Frau in orientalischem Gewand
Um 1871 von Edouard Manet gemalt. Vermutlich 1937 vom jüdischen Unternehmerpaar Max und Johanna Silberberg unter Druck verkauft.
Die junge Frau in orientalischem Gewand – auch unter dem Namen La Sultane bekannt – würde wohl in jedem anderen Museum als Raubkunst bezeichnet werden. Denn egal nach welchen Indizien man Ausschau hält, sie sind hier alle gegeben. Das Bild gehörte dem jüdischen Unternehmer Max Silberberg, der ab 1933 systematisch enteignet, verfolgt und 1942 im Konzentrationslager ermordet wurde. Nun steht die Forderung um Restitution im Raum, welche die Erb*innen von Max Silberberg 2002 vorbrachten.1 Auf der Lost Art-Datenbank wurde das Bild vor rund zehn Jahren als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut gemeldet.2
Doch was andernorts als gerecht und fair gelten mag, gilt nicht für die Sammlung Bührle im Kunsthaus. Hier vertritt man nach wie vor die Haltung, dass es keinen Zusammenhang zwischen der NS-Verfolgung und dem Verkauf des Bildes gebe.
«Max Silberbergs Absicht, das Bild La Sultane zu verkaufen, war die Folge wirtschaftlicher Probleme, die in die Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929, vor dem Einsetzen der NS-Verfolgung, zurückreichten. Der spätere Verkauf des Bildes durch Max Silberberg erfolgte ausserhalb des NS-Machtbereichs [...]. Die Veräusserung der Sultane durch Max Silberberg war weder ein ‹Entzug› noch ein Verkauf, der ursächlich auf den Druck von NS-Verfolgung zurückging.»3
Der jüdische Unternehmer Max Silberberg wurde von der Weltwirtschaftskrise hart getroffen und musste sich 1932 von einem Teil seiner Kunstsammlung trennen. Dieser Umstand führte später dazu, dass jede Restitutionsforderung seiner Erb*innen grundsätzlich infrage gestellt wurde. Schliesslich will bewiesen sein, dass nicht die Wirtschaftskrise, sondern die NS-Verfolgung ursächlich mit dem Verkauf zusammenhänge. Das Kunsthaus exerziert dieses Ausweichmanöver an La Sultane geradezu vorbildlich vor. Denn obwohl Max Silberberg in Nazideutschland verfolgt, enteignet und ermordet wurde, so habe sich ein Teil seines Besitzes – darunter das Bild La Sultane – ausserhalb der Reichweite der Nazis in Paris befunden, wo er es zu verkaufen versuchte. Somit könne es sich nicht um Raubkunst handeln. Deshalb bleibt La Sultane da, wo sie ist.
Tatsächlich könnten die damaligen Umstände auch anders bewertet werden und was im Kunsthaus gilt, gilt zum Glück nicht überall. 1999 forderte Gerta Silberberg, Erbin von Max Silberberg, das Bild Nähschule im Amsterdamer Waisenhaus vom Bündner Kunstmuseum zurück, das ihr nach einem knappen Jahr restituiert wurde. Dazu schreibt der damalige Direktor Beat Stutzer:
«Für die Stiftung Bündner Kunstsammlung war es von allem Anfang an erklärtes Ziel, eine möglichst rasche und unbürokratische Entscheidung zu treffen, da man sich moralisch dazu verpflichtet fühlte. Zudem wollte man im Unterschied zu anderen, eher zögerlich agierenden Museen und privaten Sammlungen in Sachen Raubkunst nach der Washingtoner Konferenz von 1998 ein Exempel statuieren.»4